"Eugen Onegin" von Alexander Puschkin
Wien [ENA] "Eugen Onegin" irritiert auf eine ganz subtile Weise. Einerseits ein ganz geniales Werk, andererseits spielt es mit der literarischen Erzählform und macht den Leser zum Komplizen der Intrigen des Autors. Warum auch nicht, könnte man fragen? Will man aber wirklich Teil deses kalten, herrschaftlichen Spiels sein, das sich über Gut und Böse stellt und die Welt wie ein Puppentheater en revue passieren lässt?
Will man nicht lachen oder weinen oder Mitleid empfinden? Das geht bei diesem Roman in Versform nicht ganz. Wie ein perfekter Diamant liegt er vor uns, hart und strahlend, aber die Gefühle können "Eugen Onegin" nicht wirklich ertasten. Wie die Stäbchen eines Mikadospiels wirft Puschkin mit der Leichtigkeit eines Genies die schönsten Naturbeschreibungen, kompliziertesten psychologischen Analysen oder kühnen Menschenstudien in einen großen Wurf zusammen. Fast macht er das wie ein Kind, dass gelangweilt mit seinem Genie spielt und sich des großartigen Kunstwerks, das es schafft, gar nicht bewusst ist. Die Dramatik des Lebens mit seinen Höhen und Tiefen, mit seiner Raffiness und Zufälligkeit, sind ihm Bälle, die es fröhlich jongliert.
Mal fängt es sie auf, mal lässt es sie fallen. Einerlei ist ihm das eine oder das andere und nur zwischendurch blitzt das Diabolische oder das Menschliche hervor. Puschkin lässt Onegin den modernen Menschen "als amoralische Seele, die egozentrisch und teilnahmslos, träumerischer Grübelei maßlos ergeben ist, charakterisieren. Es sind solche tiefgreifende und verwegene Gedanken, die Puschkin einen herausragenden Platz in der russischen Literatur gegeben haben. Nicht umsonst wird er der Wegbereiter der modernen russischen Literatur bezeichnet und gilt als der Nationaldichter, mehr noch als Tolstoi, Dostojewski oder Gogol. Viel zu früh, mit 38 Jahren, starb Puschkin 1837 bei einem Duell in St. Petersburg.